ÜBERBLICK ÜBER DIE FORMULIERUNGSKONZEPTE TEIL I

Nachdem dieses Thema für jede Selberrührerin & jeden Selberrührer sicherlich interessant ist, beginnen wir nun mit dem ersten Teil unserer monatlichen Serie zum Thema 

"Naturkosmetische Formulierungskonzepte und Rahmenrezepturen"

Diese Informationen helfen Dir, den richtigen Emulgator für Deine Wunsch-Creme zu finden und diesen auch richtig einzusetzen n.

Die Formulierungen sollen sich ja

  • gut anfühlen
  • Ihrem Hauttyp zu 100% entsprechen
  • eine gut durchdachte Balance zwischen Feuchtigkeit und nährender Pflege haben und 
  • die Öl- & Wasserphase soll dauerhaft und stabil verbunden sein und dies auch bleiben

Die Formulierungskonzepte

Wir haben die kosmetischen Formulierungen für uns Selberrührer/Innen in sieben relevante Gruppen aufgeteilt, die wir der Reihe nach vorstellen und Dir natürlich auch entsprechende Rahmenrezepturen und Verarbeitungsvorschläge präsentieren werden.

  • W/O-Emulsionen (Lotion/Creme)
  • O/W-Emulsionen (Lotion/Creme)
  • Balsame (wasserfreie Formulierungen)
  • Öle, Oleogel (ölbasierte Gele)
  • Wasserbasiertes Gel = Hydro-Gel
  • Hydrodispersionsgel (=wasserbasiertes Gel mit einer geringen Menge Pflanzenöl)

Aber bevor wir uns im Detail mit den jeweiligen Formulierungen beschäftigen werden, sehen wir uns zuerst das wichtigste Bindeglied zwischen der Wasserphase und der Ölphase an: die Emulgatoren.

Emulgatoren als tensidische Verbindungen

Möglicherweise fragst  Du Dich jetzt: Was haben Emulgatoren mit Tensiden zu tun?

Ja, viel mehr, als es auf den ersten Blick scheint...

Unter einer Emulsion (lateinisch "ex" und "mulgēre" = "herausgemolken‘) versteht man ein fein verteiltes Gemisch zweier normalerweise nicht mischbarer Flüssigkeiten ohne sichtbare Entmischung. 

Zur Herstellung und dauerhaften Stabilisierung einer Emulsion sind grenzflächenaktive Substanzen, die Tenside - also unsere Emulgatoren, notwendig. 

Alle Emulgatoren sind Tenside!

Die Grenzflächenspannung an der Öl-Wasser-Phasengrenzfläche wird durch das Tensid deutlich gesenkt. 

Tenside und Emulgatoren sind also die Vermittler zwischen der 

  • Ölphase und der
  • Wasserphase 

und haben jeweils einen


  • polaren (hydrophilen) und einen 
  • unpolaren (lipophilen) Teil.

Der polare Teil

ist der wasserliebende Teil, der sich mit hydrophilen (also wasserlöslichen) Stoffen verbindet.

Der unpolare Teil

ist der fettliebende Teil, der zwischenmolekulare Kräfte ausbildet und sich mit fetthaltigen (lipophilen) Stoffen verbindet.

Wie Du in der Grafik sehen kannst, gibt es verschiedene Tenside, also eine Vielzahl an Emulgatoren mit unterschiedlichen Eigenschaften. 

Das Verhältnis des lipohilen zum hydrophilen Anteil eines Emulgators ist wichtig, um zu wissen, welche Menge an "Fetten" der jeweilige Emulgator mit der Wasserphase dauerhaft verbinden kann. Dies führt uns zur nächsten wichtigen Kennzahl - dem HLB-Wert.

Der HLB-Wert eines Emulgators

Der HLB-Wert ist ein dimensionsloser Zahlenwert, der sich aus dem stöchiometrischen Verhältnis des lipophilen und hydrophilen Anteils eines Tensides (also einem amphiphilen Moleküls = ein Molekül, das sowohl lipophile als auch hydrophile Teile aufweist) errechnen lässt.

Der HLB-Wert (HLB steht für engl. hydrophilic-lipophilic balance) beschreibt in der Chemie den hydrophilen und lipophilen Anteil von hauptsächlich nichtionischen Tensiden und ist für uns Selberrührer/Innen zumindest im Überblick eine wichtige Kennzahl, um erkennen zu können, welcher Emulgator welche Menge an lipophilen Stoffen, also Fetten, mit Wasser zu verbinden mag.

Der HLB-Wert sagt über einen Emulgator also aus, ob er sich besser mit mehr Wasser oder besser mit mehr Fett verbinden lässt.

Zu den Fetten zählen bei dieser Berechnung alle lipophilen Stoffe, also Pflanzenöle, Buttern, Wachse, Neutralöl, pflanzlicher Silikonersatz und viele Konsistenzgeber wie z.B. Lanolin.

Grundsätzlich gilt:

Je höher der HLB-Wert, desto hydrophiler bzw. wasserlöslicher und wasserliebender ist die Substanz.

Welche Rolle spielt nun der HLB-Wert für uns Selberrührer/Innen?

Nach Griffin (1954 hat W.C. Griffin dieses System vorgeschlagen) und Davies (von ihm wurde es dann erweitert) hat jedes Tensid einen HLB-Wert zwischen 0 und 20, wobei 0 das sehr wasserunlösliche / öllösliche und 20 das vollständig wasserlösliche / öllösliche Ende der Skala ist.

  • HLB 0-10: lipophil = öllöslich (zugleich wasserunlöslich)
  • HLB >10: hydrophil = wasserlöslich
  • Maximum: bei HLB 20 (nach Griffin).

Jeder in unserer Naturkosmetik verarbeitete Rohstoff hat eine speziell benötigte HLB, damit er emulgiert werden kann, jedoch arbeiten wir immer mit den selben Stoffgruppen wie zum Beispiel:

  • Pflanzenöle (erforderlicher HLB 6-8)
  • Estern von Fettsäuren (erforderlicher HLB um 12) und
  • Fettalkoholen und Fettsäuren natürlichen Ursprungs (erforderlicher HLB 14-15).

Das HLB-System wurde grundsätzlich für PEG-Derivate entwickelt. Polyethylenglykol ist ein synthetischer Inhaltsstoff und wird nicht in natürlichen und organischen kosmetischen Produkten verwendet.

Dieses System gilt nur für nichtionische Tenside und viele innovative pflanzliche und natürliche Emulgatoren weisen einige ionische Eigenschaften auf. Da das System nicht vollständig an moderne Emulgatoren und Tenside angepasst ist, geben die meisten Hersteller von Emulgatoren für ihre Emulgatoren überhaupt keinen HLB-Wert mehr an oder nur einen ungefähren Wert bzw. die Höhe der tolerierten Fettphase.

Das heißt, und jetzt bitte aufatmen - eigentlich können wir Selberrührer/Innen die HLB-Werte vergessen, wenn wir wissen, welche lipohilen Anteile der gewünschte Emugator "verträgt" bzw. ob wir eine "leichte Emulsion bzw. Lotion", also eine O/W-Formulierung rühren möchten, oder ob wir eine "intensive, rückfettende Creme", also eine W/O-Formulierung rühren wollen! 

Sicherlich hilfreich ist ein ungefährer HLB-Wert, damit wir wissen, ob er für Pflanzenöle, Fettsäuren oder Estern besser funktioniert.

Struktur der Emulsionen

In einer Emulsion liegt ein fein verteiltes Gemisch zweier Flüssigkeiten, wie Öl und Wasser, vor. Eine Flüssigkeit (Phase) bildet kleine Tröpfchen, verteilt in der anderen Flüssigkeit. 

  • Die Phase, die Tröpfchen bildet, nennt man "innere Phase" oder auch "disperse Phase". 
  • Die Phase, in der die Tröpfchen schwimmen, wird "äußere Phase" oder "kontinuierliche Phase" genannt. 

Wasser in Öl - Emulsionen  =  W/O - Emulsionen

In dieser Emulsion werden Wassermoleküle von Ölmolekülen umgeben (der Emulgator hat einen niedrigen HLB-Wert). Diese Cremen sind meist rückfettend, nährend, reichhaltig und sehr pflegend, da die Ölphase sehr hoch angesetzt ist, daher werden diese Formulierungen vorwiegend bei trockener, rissiger, empfindlicher Haut angewandt. Sie schützen die Haut lang anhaltend vor äußeren Einflüssen und halten die Feuchtigkeit in der Haut.

Der Emulgator stabilisiert in dieser Formulierung die Wassertröpfchen in der Ölphase.

Ein weit verbreiteter Irrtum:

Diese intensiven Cremen spenden der Haut keine Feuchtigkeit - ist das wirklich so?

Auch diese Emulsion befeuchtet die Haut, nur nach einem anderen Prinzip (Okklusionsprinzip) und länger als die Öl-in-Wasser-Emulsion. Die Bildung der Okklusion (Schutzfilm) auf der Haut verhindert den Feuchtigkeitsverlust.

Mit der W/O-Emulsion fühlt sich die Haut schwerer an, ist aber auch besser vor Mikroben, Witterung, Sonne, Feuchtigkeitsverlust usw. geschützt.

Öl in Wasser - Emulsionen = O/W - Emulsionen

In dieser Emulsion werden die Ölmoleküle von Wassermolekülen umgeben (der Emulgator hat einen hohen HLB-Wert) und die Wasserphase ist im Vergleich zur Ölphase sehr hoch.

Diese Emulsionen werden als "Lotionen" bezeichnet und sind sehr leicht auf der Haut, versorgen sie durch den hohen Wasseranteil gut mit Feuchtigkeit, sie ziehen schnell ein und hinterlassen keinen Fettfilm.

Balsame (wasserfreie Formulierungen)

Balsame sind wasserfreie Formulierungen, die lediglich aus Pflanzenölen, Pflanzenbuttern, Wachsen und Konsistenzgebern (z.B. Lanolin) bestehen. Diese Formulierung ist besonders für Rühranfänger/innen geeignet, da sie nur eine Phase haben, dadurch sehr leicht herzustellen sind und aufgrund der Wasserfreiheit auch nicht konserviert werden müssen. Die Haltbarkeit beträgt zwischen 12 und 24 Monate.

Oleogel (ölbasierte Gele) 

In dieser ebenfalls wasserfreien Formulierung werden Pflanzenöle mit Hilfe von Gelbildnern für lipohile Bestandteile (z.B. Ceralan, Viscolid Palmoil-free) zu einem Ölgel verarbeitet.

Oleogele lassen sich aber in der Rührküche auch ohne Gelbildner herstellen - und zwar indem man zimmerwarme Pflanzenbutter (am besten Sheabutterm Kaffeebutter, Olivenbutter, Hanfsamenbutter oder Mangobutter) mit einem Pürierstab hochtourig "aufgeschlagen" und dann die Pflanzenöle und nach Wunsch Wirkstoffe (wie Lipoderminkonzentrat, Vitamin E, D-Panthenol) sowie ätherische Öle eingerührt. Diese wasserfreie Formulierung fühlt sich durch das Mixen bzw. Aufschlagen trotzdem "weicher" und "fluffiger" an und schließt die eingearbeiteten Wirkstoffe gut ein.

Diese Art der Formulierung eignet sich wunderbar für intensive Nachtcremen, Handcremen, Fußcremen oder schützende und nährende Körperpflegeprodukte, denn sie haften gut auf der Haut und hinterlassen einen schützenden Film.

Wasserbasiertes Gel = Hydro-Gel

Diese wasserbasierten Gele bestehen aus einer Wasserphase (nach Wahl destilliertes Wasser oder, wie in der selbst hergestellten Kosmetik üblich, Hydrolaten), die mit Hilfe eines Gelbildners (z.B. Xanthan, Guarkernmehl, Gelbildner PNC400) zu einem Gel verarbeitet werden.

Dieses Gel kann folgendermaßen weiterverarbeitet werden:

  • pflegendes Körpergel (z.B. After-Sun-Gel oder kühlendes Bein-Gel) - hier wird das Gel mit wasserlöslichen Wirkstoffen (Vitamin ACE-Fluid, Hyaluron etc.) angereichert.
  • als Basis für waschaktive Formulierungen (z.B. Haarshampoo, Duschgel, Gesichtsreinigungsgel) - hier reichert man das Gel mit Tensiden (also den waschaktiven Substanzen) und pflegenden Komponenten (wie Wirkstoffen und Vitaminen) an, um eine reinigende Wirkung zu erzielen.

Hydrodispersionsgel (=wasserbasiertes Gel mit einer geringen Menge Pflanzenöl)

Zu einem Hydrodispersionsgel wird das wasserbasierte Gel dann, wenn eine (geringe) Menge Pflanzenöl in das wasserbasierte Gel hochtourig eingerührt wird. Hierbei kommt kein Emulgator zum Einsatz, sondern die Gelstruktur "stützt" die lipohilen (also ölhaltigen) Bestandteile in dem Gel.

Diese Art von Formulierungen wird gerne als Serum verarbeitet, oftmals mit Basis Hyalurongel.

Die drei Kennziffern für eine erfolgreiche Formulierung - Auswahl der Emulgatoren

  1. Die Höhe der Ölphase

Je nach Eigenschaften funktionieren die unterschiedlichen  Emulgatoren am besten in einem

  • niedrigen Ölbereich (3 - 10 %), 
  • mittleren Ölphasenbereich (15 - 25 %) oder
  • bei hohen Ölkonzentrationen (< 25 % - dies gilt im Allgemeinen für W / O-Emulsionen)

Abhängig von der Konzentration der Ölphase (oder Wasserphase) solltest Du versuchen, den am besten geeigneten Emulgator für diese Formulierung zu finden. Wenn ein bestimmter Emulgator laut seinen Eigenschaften am besten mit 5 % Ölphase arbeitet, ist er höchstwahrscheinlich nicht die beste Wahl für eine Creme mit 40 % Ölphase. ;-)

  1. Die gewünschte Viskosität der Creme

Vielleicht möchtest Du im Winter eine nährende, rückfettende Nachtcreme herstellen und im Sommer ein leichtes After-Sun-Fluid? Der Emulgator sollte zu Deiner "Wunschformulierung" passen.

Obwohl die Viskosität (vom lat. viscosus = klebrig), also die Zähflüssigkeit oder Zähigkeit einer Emulsion, mit Gelbildnern (z.B. Xanthan, PNC400, Guarkernmehl, Natrosol u.Ä.) beeinflusst und eingestellt werden kann, ist das Auftragsverhalten von "richtig" bemessenen Formulierungen einfach feiner.

Ausnahmen sind die niedrigviskosen Formulierungen, also all jene Emulsionen, die einen sehr hohen Wasseranteil beinhalten, sich also sehr leicht auf der Haut anfühlen, schnell einziehen und keinen Fettfilm hinterlassen und mit Hilfe eines Gelbildners stabilisiert werden sollten.

  1. Der gewünschte pH-Wert der Formulierung

Jeder Emulgator hat einen optimalen Arbeits- (und Stabilitäts-) pH-Bereich. Eine Abweichung von diesem pH-Wert führt zu Instabilität, Änderungen der Viskosität, Textur oder des Aussehens. der pH-Wert ist sehr wichtig für das zu wählende Konservierungssystem. Wenn Du ein schwach saures Konservierungssystem mit der höchsten Wirksamkeit bei einem pH-Wert von weniger als 4,5 verwendest und Dein Emulgator bei einem pH-Wert von 6 bis 7 am besten funktioniert, solltest Du entweder das Konservierungsmittel oder den Emulgator wechseln.

Der HLB-Wert unsere Emulgatoren in der selbst gerührten Kosmetik

W/O – Emulgatoren (HLB 3-8)  

  • HLB 1 (wirkt nur schwach grenzflächenaktiv): Cetearyl Alcohol (LanetteO®)
  • HLB 4: Lanolin Alcohol (Wollwachsalkohol)
  • HLB 4: Glyceryl Stearate, Sorbitan Stearate
  • HLB 4,7: Olivem900/Olivem 1000
  • HLB 5: Lysolecithin E60
  • HLB 7: Fluidlecithin Super
  • HLB 8: Lamecreme

O/W-Emulgatoren (HLB 8-15) 11

  • BergaMuls® (keine genaue HLB-Kennziffer vorhanden)
  • HLB 7: Fluidlecithin Super
  • HLB 8: Emulsense®
  • HLB 9: Lysolecithin
  • HLB 9: Montanov68®
  • HLB 9: Emulprot (jetzt neu Symbioprot®M)
  • HLB 9: Lumorol® K229
  • HLB 10: Walrat-Ersatz
  • HLB 10,5: Xyliance
  • HLB 11: DermaCare CG90
  • HLB 12: Emulsan
  • HLB 12: Glycerin Stearat SE
  • HLB 15: Sucrose Stearate
  • HLB 15: Cetylalkohol
  • HLB 15: Montanov® 202
  • HLB 15: Polysorbat 18

Ein Emulgator mit einem HLB-Wert um die 10 kann prinzipiell Emulsionen vom Typ O/W oder auch W/O bilden.

Lösungsvermittler

Lösungsvermittler (Solubilisatoren) sind amphiphile Verbindungen. Es sind also Substanzen, die sowohl lipohil - fettliebend- als auch hydrophil -wasserliebend- sind - und in einer wässrigen Lösung (Wasser, Hydrolat etc.) spontan Mizellen (= sehr kleine Moleküle, die sowohl fett- als auch wasserlösliche Eigenschaften aufweisen) bilden.

Wir brauchen Lösungsvermittler in der Kosmetik, um schwer lösliche Stoffe, ätherische Öle, kosmetische Duftöle, fettlösliche Vitamine oder Lipide in einer wässrigen Lösung zu verteilen.

  • HLB 9,7: Fluidlecithin BE
  • HLB 9,7: Mulsifan
  • HLB 15,6: Steareth-21
  • HLB 15: Lösungsvermittler LV41

Wenn Du es bis hier geschafft haben, dann hast Du wirklich Durchhaltevermögen! ;-)

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